Am 22. Juni war es soweit: in unserem Freilichtmuseum konnte sich ein Brautpaar zum ersten Mal das Ja-Wort geben. In den Wochen zuvor war unsere neue Traustube im historischen Doppelwohnhaus renoviert, mit einer traditionellen Wandborte geschmückt und ordnungsgemäß gewidmet worden, so dass die Seiffener Standesbeamtinnen nun auch dort Eheschließungen vornehmen dürfen – ein Novum in der Geschichte unserer Museen, wobei das Thema der Hochzeit in unseren Sammlungen schon jeher eine Rolle spielt.
Bekannt sind die Brautzüge, wie sie um 1900 etwa von Louis Hiemann und später von Karl Müller und Elfriede Jahreiß gefertigt wurden. Dabei sind die Motive älter, denn der Seiffener Verleger Johann Friedrich Hiemann bot bereits um 1812 „Hochzeiten auf Scheeren“ an. [1] Beliebt waren zudem Hochzeitskutschen und, mit dem Aufkommen des Automobils, Hochzeitsautos, die in der Zeit zwischen den Weltkriegen beispielsweise in den Sortimenten von Arthur Flath, Curt Hegewald und Franz Weber zu finden waren. Neben diesen spielerischen Dingen bergen unsere Depots außerdem Objekte, die von tatsächlich stattgefundenen Hochzeiten und den damit verbundenen Bräuchen zeugen.
So finden sich Glückwunschkarten zur Vermählung aus dem Jahr 1906. Das Versenden solcher Karten war erst um 1900 üblich geworden, hatte jedoch schnell großen Zuspruch gefunden. Haube und Schleier lassen erahnen, wie eine Braut in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgesehen haben könnte, wobei das Brautkleid nicht zwingend weiß gewesen sein muss. Laut einer 1909 durchgeführten Studie gingen die meisten erzgebirgischen Bräute in ihrem dunklen Festtagsgewand zur Trauung,[2] also einem Kleid, das auch zu anderen festlichen Gelegenheiten getragen wurde. In den 30er Jahren setzte sich dann auch im Erzgebirge Weiß als Farbe des Brautkleides durch.[3] Anders als der Schleier ist die Haube mittlerweile aus unseren Hochzeitsbräuchen verschwunden. Sie wurde der Braut gegen Ende des Festes aufgesetzt, diese also sprichwörtlich „unter die Haube gebracht“. Der frischgebackene Ehemann wurde hingegen mit einer Zipfelmütze beglückt. Unüblich ist mittlerweile auch der „Kammerwagen“, mit dem der Hausrat gut sichtbar für alle in das neue Heim gebracht wurde. Denn obwohl sich seit der Romantik die Idee der Liebeshochzeit mehr und mehr etablierte, galt bis in das 20. Jahrhundert hinein: „Wer nichts erheirat’t und nichts ererbt, das bleibt ein armes Luder, bis er sterbt“.[4] (SG)
[1] J. F. Hieman, Preis-Nota über künstliche Holzwaaren, Seyffen bey Freyberg in Sachsen [um 1812]: No. 92. Der Nürnberger Spielwarenhändler Georg Hieronimus Bestelmeier bot ab 1798 Bauernhochzeiten mit und ohne Kirche sowie Judenhochzeiten in seinen Katalogen an.
[2] Ernst John, Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge. Ein Beitrag zur deutschen Volkskunde, Annaberg: Grafersche Buchhandlung, 1909, S. 94.
[3] Volkskundliche Landesaufnahme, NSLB Sachsen, 1934. Gedruckte Zusammenfassung: Hochzeit-Brauchtum Kreis Freiberg, 1934, S. 11.
[4] John, Aberglaube, Sitte und Brauch, S. 89.